Eine Quarantäne-Einrichtung für Elektroautos, RP-Online vom 18.10.2022

Nettetal. In Nettetal entsteht derzeit — einzigartig in der Region — eine besondere Anlage für Unfallwagen mit Elektromotor. Weitere sind geplant.
Nettetal. In Nettetal entsteht derzeit — einzigartig in der Region — eine besondere 
Anlage für Unfallwagen mit Elektromotor. Weitere sind geplant.

Jetzt geht’s los: Kfz-Sachverständiger Joachim Broetzmann (rechts) und David Schiffer auf der Baustelle für den Quarantäne-Park. Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

 Jetzt geht’s los: Kfz-Sachverständiger Joachim Broetzmann (rechts) und David Schiffer auf der Baustelle für den Quarantäne-Park. Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

 
In Nettetal haben die Bauarbeiten für eine kreisweit einzigartige Einrichtung begonnen. Im Gewerbegebiet Spickerfeld baut der KFZ-Sachverständige JoachimBroetzmann eine Quarantäne-Einrichtung für verunfallte Elektrofahrzeuge. „Die Händler werden von den Konzernen dazu verpflichtet, Quarantäneplätze auf ihrem Gelände vorzuhalten. Das sind pro Fahrzeug 180 Quadratmeter, und die Bodenplatten müssen ähnlich aufwendig hergestellt sein, wie jetzt bei uns“, berichtet Broetzmann. „Das sind hohe Kosten, und viele Unternehmen haben dafür gar keinen Platz. Darum übernehmen wir diese Quarantäneplätze für sie und bieten die Bereitstellung als Dienstleistung an“, erläutert der 55-Jährige. Bereits im Juli 2021 machte er seine Planung öffentlich; „wir haben bis vor einigen Tagen auf die nötigen Genehmigungen gewartet“, erzählt der Unternehmer. „Ich bin den zuständigen Ämtern in Viersen sehr dankbar, dass alles am Ende gut geklappt hat. Unter dem Strich ist es halt in der Corona-Zeit nicht so einfach, das alles zu koordinieren. Insofern bin ich zufrieden“, sagt er. Nun soll in den kommenden Wochen die Basis für die Quarantäne-Einrichtung entstehen. „Wir haben zu den ursprünglichen Plänen ein paar Änderungen. Die Umweltplatte besteht aus mehreren Schichten Sicherheitssystemen mit ausgefeilter Sensorik. So ist absolut sichergestellt, dass keine Substanzen austreten und ins Grundwasser oder Kanalnetz gelangen“, erläutert Broetzmann. Ist die Platte fertig, folgen Container für die Aufbewahrung havarierter Fahrzeuge. „Das sind per Definition alle Unfallfahrzeuge mit Elektromotor, bei denen mindestens der Airbag ausgelöst hat“, erläutert der Sachverständige.
Elektroautos bräuchten diese Einrichtungen, berichtet der Sachverständige. „Die Akkus haben extreme Energiemengen gespeichert. Wenn sie brennen, sorgen chemische Prozesse dafür, dass sie sich immer wieder neu entzünden können.“ Darum seien auf seinem Gelände Wasserbäder geplant. Broetzmann: „Die Feuerwehr bringt die Unfalfahrzeuge an, wenn sie gebrannt haben. Dann werden sie aus deren Tanks in unsere umgehoben. Die Anlagen der Feuerwehr sind dann wieder frei.“ 72 Stunden müssten die Autos im Wasserbad lagern. „Dann sind sie zuverlässig gekühlt und entzünden sich nicht mehr. Außerdem sind sie dann entladen. Wir können die Akkus dann zum Recycling geben.“ Dabei arbeite seine Firma mit einem großen Unternehmen aus Lünen zusammen. Wie Broetzmann erklärt, können auch die Akkus von Fahrzeugen, die gebrannt haben, noch sehr weitgehend recycelt werden.  Die Wiedergewinnung der wertvollen Materialien wie Lithium und Kobalt soll in Zukunft ein wichtiger Teil der Arbeit sein. Und wer sind seine Kunden? „Wir haben verschiedene Vertragspartner. Schon jetzt, vor der Fertigstellung der Anlage, sind das zwölf feste Vertragspartner. Unter anderem das Krefelder Autohaus Auto Becker Klausmann. Dort hat es vor einiger Zeit ein großes Feuer auf dem Hof gegeben. Sie sind also im wahrsten Sinne des Wortes gebrannte Kinder“, sagt Broetzmann. Autohaus-Geschäftsführer Jan Klausmann sagt: „Die Möglichkeit des externen professionellen Lagerns havarierter Elektrofahrzeuge ist für uns die mit Abstand sicherste, einfachste und günstigste Methode. Um ein ähnlich sicheres Verfahren in unseren Autohäusern vorhalten zu können, müssten wir einen erheblichen finanziellen Aufwand betreiben.“ Die Rentabilität wäre – wenn überhaupt – erst nach langer Zeit gegeben, so Klausmann. „Vielmehr steht für uns der Wunsch nach Sicherheit für Mensch und Umwelt an erster Stelle und gleichzeitig können wir dem Ansinnen des Herstellers nach einem Quarantäneplatz für E-Fahrzeuge entsprechen.“
Die Kosten des Baus seien seit der Beantragung massiv gestiegen, berichtet Broetzmann. „Das betrifft fast alle Bereiche. Beton, Stahl, Elektronik… Wir haben insgesamt eine Kostensteigerung von gut 40 Prozent.“ An ein Aufgeben habe  er dennoch nie gedacht. Im Gegenteil. „Generell wollen wir mit unserem Konzept einen wichtigen Teil der Verkehrswende abdecken. Aber natürlich glaube ich auch an wirtschaftliche Potenziale.“ Das Projekt in Nettetal sei eine Art Fallstudie, ein Show-Room, wenn man so wolle, sagt Broetzmann. „Natürlich sollen hier auch reale Autos stehen. Aber wir planen bereits den zweiten Park in Duisburg. Der soll dann größer werden und einen Umkreis von aktuell rund 50 Kilometern abdecken. Das sind dann Düsseldorf und fast das gesamte Ruhrgebiet.“


Von Sven Schalljo